Warum das Ende der Finanzierungsrekorde noch lange nicht erreicht ist

Noch nie floss so viel Geld in europäische Startups wie im ersten Halbjahr 2021. Vor allem deutsche Gründer profitierten. Holt Europa endlich die USA ein?

Noch nie wurden in Deutschland so viele Startup-Einhörner geboren wie im Jahr 2021.
Noch nie wurden in Deutschland so viele Startup-Einhörner geboren wie im Jahr 2021.

Nay Sakdi Chay Kay Kaew / EyeEm

Die Technologieszene in Deutschland und Europa stand jahrelang im Schatten des Silicon Valley, doch mittlerweile holt der Kontinent auf. Ein Grund dafür ist die Unterstützung globaler Investoren, die wie nie zuvor in vielversprechende Start-ups investieren und den Finanzierungsrückstand zu den USA zunehmend wettmachen.

Die steigende Zahl der Mega-Investitionsrunden und Finanzierungen, bereitgestellt sowohl von heimischen als auch internationalen Investoren, bringt eine neue Generation von „Einhörnern“ in Deutschland und ganz Europa hervor.  

Von Stefan Povaly, er ist Deutschlandchef von J.P. Morgan

Während Deutschland seinen Ruf als eines der führenden „Powerhubs“ für Startups in Europa weiter ausbaut, setzen diese Einhörner neue Maßstäbe für die Zukunft des deutschen Startup-Ökosystems im Technologiesektor. 

Mehr Finanzierungsoptionen als je zuvor

Insbesondere Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen haben ihre Relevanz während der Pandemie unter Beweis gestellt und finden großen Anklang bei Kapitalgebern. Das Spektrum der Finanzierungsoptionen, die ihnen in Deutschland und ganz Europa zur Verfügung stehen und der Umfang der vorhandenen Mittel größer als je zuvor: Sie reichen von Vorzugs- und Stammaktienkapital über Pre-IPO- bzw. Pre-EPP-Wandelanleihen.

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Letztere haben in der Regel ein Wandlungsrecht für den Fall eines erfolgreichen Börsenganges. Sie sehen dann eine erfolgreiche Eigenkapitalfinanzierungsrunde des Emittenten zu einem Wandlungspreis in Höhe des Platzierungspreises im Rahmen des Börsenganges bzw. der Bewertung einer künftigen Finanzierungsrunde vor, bis hin zu Kredit- und Optionsinstrumenten. Darüber hinaus stammen die Finanzierungen von einer immer breiter werdenden Anlegerbasis, die mit US-Transaktionen konkurrieren kann, und die Anleger sind sowohl an privaten als auch öffentlich gehandelten Kapitalmarktinstrumenten interessiert.

Ein Blick auf die Zahlen belegt diesen Trend: Laut dem globalen Datenanbieter Refinitiv haben die Tech-Startups in Europa, Nahost und Afrika (EMEA) in den ersten drei Monaten 2021 bereits circa zwölf Milliarden Euro eingeworben. Internationale Private-Equity-, Pensions- und Staatsfonds schließen sich den traditionellen Risikokapitalgebern an, um vermehrt in private Anlagemöglichkeiten zu investieren.  Das ist ein Allzeithoch und entspricht einem Anstieg von 128 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Davon entfielen 52 Prozent auf europäische Venture-Capital-Investoren und der Anteil der US-Gelder stieg um acht auf 39 Prozent.

Es wird noch weitere Rekorde geben

Deutschland zieht einen wachsenden Teil des globalen Risikokapitals an und verzeichnete von Januar bis Ende März dieses Jahres Investitionen von 2,2 Milliarden Euro. Dies entspricht einem massiven Zuwachs von 221 Prozent zum Vorjahr, wie die Zahlen von Refinitiv zeigen.

Dank dieses Zustroms von Investoren rangiert Deutschland bei den Finanzierungen im EMEA-Raum nun auf Platz zwei, hinter Großbritannien. Seit Jahresbeginn hat Deutschland nach Angaben des Datenanbieters Pitchbook bereits 19 Finanzierungsrunden von mehr als 100 Millionen US-Dollar verzeichnet, verglichen mit lediglich fünf Transaktionen für das gesamte Jahr 2019 und acht Deals im Jahr 2020. Damit sind gleich mehrere Einhörner, darunter deutsche Firmen wie Trade Republic, Gorillas, Personio, Sennder und Wefox, in das europäische „Growth Ecosystem“ aufgestiegen.

Diese Rekordentwicklung war insbesondere im zweiten Quartal zu beobachten. Wir schätzen, dass im zweiten Quartal diesen Jahres deutsche Startups Kapital von knapp vier Milliarden US-Dollar eingesammelt haben und damit die 2,7 Milliarden US-Dollar aus dem ersten Quartal sogar noch übertroffen wurden. Da Celonis nach der kürzlichen Milliardenrunde Deutschlands erstes „Decacorn“ ist und Firmen wie Flixbus oder Wefox jeweils 650 Mio. US-Dollar erhalten haben, dürfte im Jahr 2021 ein nie da gewesenes Niveau erreicht werden.  

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Viele bekannte deutsche Technologiemarken wie Delivery Hero, Zalando, HelloFresh und in jüngster Zeit Suse, Auto1 und Mytheresa gehören zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen des Landes. Sie haben den Einhorn-Status bereits hinter sich gelassen, ihren Börsengang in die Wege geleitet und ihr Debüt an den Aktienmärkten gegeben.  Da die Corona-Pandemie diverse Technologietrends und den Handel mit Aktien beflügelt hat, versuchen immer mehr Startups, die Börsenmärkte für ihren künftigen Finanzierungsbedarf zu erschließen. Das ist vielleicht nicht verwunderlich, wenn man den rekordverdächtigen Jahresauftakt am deutschen IPO-Markt bedenkt, der basierend auf Daten von Dealogic mit einem Transaktionsvolumen von über acht Milliarden Euro seit Jahresbeginn auf das höchste Niveau seit mehr als einem Jahrzehnt zusteuert.

Spacs treiben Geldschwemme an

Während sich die Firmen traditionell für konventionelle Börsengänge entschieden haben, bieten Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) neuerdings eine weitere Alternative für private Wachstumsunternehmen, um an die Börse zu gehen. Im Gegensatz zu herkömmlichen IPOs sind SPACs sogenannte Mantelgesellschaften. Sie werden ausschließlich zu dem Zweck gegründet, später ein nicht näher bestimmtes Zielunternehmen zu erwerben. Im vergangenen Jahr wurden rund 88 Milliarden Euro an Kapital über dieses Börsenvehikel aufgenommen.

Dieser Trend hat sich 2021 weiter beschleunigt: Seit Jahresbeginn wurden etwa 130 Milliarden Euro mithilfe von Spacs eingesammelt. Obwohl sich die meisten Aktivitäten bisher auf der anderen Seite des Atlantiks abspielten, nehmen die SPAC-Emissionen auch in Europa zu; dieses Jahr wurden bereits 17 Spacs an einer europäischen Börse notiert. Drei davon wurden in Deutschland gelistet und haben insgesamt 775 Millionen Euro eingenommen, um geeignete Übernahmeziele im breiteren Technologiebereich zu suchen. 

Das finanzielle Umfeld für europäische Startups und Technologieunternehmen hat sich zweifellos grundlegend verändert. Die Diskussion über die Finanzierung des Sektors in der Region war noch nie so lebhaft und vielfältig.  Das geht so weit, dass viele Unternehmen heute die Möglichkeit haben, immer größere Wachstumsrunden aufzulegen, anstatt sich auf einen „klassischen“ Exit durch Verkauf oder Börsengang vorzubereiten. Die jüngsten Transaktionen auf dem Kontinent zeigen, dass eine größere Zahl europäischer Technologieunternehmen erstmals in der Geschichte über ernstzunehmende finanzielle Mittel verfügt und beweisen kann, dass Europa in der Lage ist, bei der Finanzierung gegenüber den USA aufzuholen. Und das ist eine positive Dynamik: „Growth feeds growth“. 


Pitch will mit 70-Millionen-Runde zum „Youtube für Präsentationen“ werden

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  • Berliner Powerpoint-Alternative

Pitch will mit 70-Millionen-Runde zum „Youtube für Präsentationen“ werden

  • Profielfoto Daniel Hüfner

Ein halbes Jahr nach dem Launch sollen bereits tausende Teams die Software von Pitch nutzen. Neues Geld von Investoren fließt nun in den Aufbau einer Online-Plattform.

Die Berliner Firma Pitch will die Alternative zu Powerpoint sein.
Die Berliner Firma Pitch will die Alternative zu Powerpoint sein.
Gründerszene

Eigentlich habe seine Firma das Geld nicht zwingend gebraucht, sagt Christian Reber, Gründer des Berliner Softwareunternehmens Pitch. „Mit den 30 Millionen Euro aus der vorigen Finanzierungsrunde wären wir noch gute zwei bis drei Jahre durchgekommen.“ Trotzdem hat das erst 2018 gegründete Startup hinter dem gleichnamigen Präsentationstool nun weiteres Kapital von Investoren erhalten. Umgerechnet rund 70 Millionen Euro (85 Millionen Dollar) kamen in der Series-B zusammen.

Angeführt wird die Runde vom US-Risikokapitalgeber Tiger Global sowie Lakestar, dem Fonds von Starinvestor Klaus Hommels. Bestehende Investoren – darunter der frühe Facebook-Förderer Index Ventures – beteiligten sich ebenfalls. Zur Firmenbewertung wollte sich Pitch-Gründer Reber auf Nachfrage von Gründerszene nicht äußern. Sie dürfte aber inzwischen im mittleren, dreistelligen Millionenbereich liegen.

„Wir wollen das Youtube für Präsentationen werden“

Dass Pitch sich mit frischem Geld eindeckt, hat laut Reber mit dem steigendem Wettbewerb zu tun. Wie die Berliner Firma zielen zahlreiche junge Anbieter auf einen Markt, der seit Jahrzehnten von Powerpoint beherrscht wird. Bisher konzentrierte sich Pitch bei seiner Präsentationssoftware auf ein ästhetisches Design und eine leicht bedienbare Benutzeroberfläche für Teams. Das Startup wolle sich vom Marktführer zudem mit einer automatischen Anbindung an Tools wie Slack oder Dropbox abheben.

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2,5 Millionen Euro sammelten die Superlist-Gründer wenige Monate nach Gründung ihres Unternehmens ein.

Nach zweijähriger Entwicklungszeit brachte das Startup eine erste Version im Herbst 2020 auf den Markt. Die Resonanz sei sehr gut, sagt Reber. „Bis heute haben deutlich mehr als 25.000 Teams mit Pitch an Präsentationen gearbeitet“, so der Gründer. Mehr als 1.000 davon sollen für die Software bereits zahlen. Pro Nutzer und Monat verlangt das Unternehmen zehn Euro. Zu den Kunden gehören bisher hauptsächlich mittelgroße Firmen aus der Techbranche, darunter der US-Messenger-Anbieter Intercom oder die Axel-Springer-Tochter Upday. Im nächsten Schritt will Pitch seine Software nun um eine Online-Plattform für Präsentationen erweitern.

Nutzer sollen ihre Folien auf eigenen Profilseiten teilen und sich mit anderen austauschen können, etwa um Feedback zu geben oder neue Designvorlagen zu entdecken. „Wir wollen das Youtube für Präsentationen werden“, veranschaulicht Reber das Ziel der neuen Plattform. Dafür will das Unternehmen auch sein Personal aufstocken. Die Zahl der Beschäftigten soll bis Jahresende von derzeit etwa 120 auf dann rund 160 wachsen.

Keine Börsenpläne

Folgt mit dem Wachstum dann der Börsengang? Abwegig ist der Gedanke nicht. Schon 2019 hatte Pitch-Chef Reber im Gespräch mit Gründerszene offen mit Börsenplänen kokettiert. „Mein Ziel war immer, eine eigenständige Firma aufzubauen und dann vielleicht an die Börse zu gehen, wie Zoom und Slack das auch gemacht haben“, sagte Reber damals.

Durch den Hype um sogenannte Spacs wäre ein solcher Schritt aktuell zudem recht unbürokratisch. In den vergangenen Monaten wurden einige leere Firmenhüllen an der Börse gelistet, die nun nach geeigneten Übernahmekandidaten suchen. Als wachstumsstarke Software-Firma mit großem Zielmarkt könnte Pitch ein solcher Kandidat sein.

Doch Reber winkt ab: „Würden wir ein solches Angebot bekommen, würde ich es ablehnen“, sagt der Gründer. Auch wenn seine Software-Firma stark wachse, „ein solcher Schritt ergibt eigentlich erst ab einem Jahresumsatz von mindestens 30 bis 40 Millionen Euro Sinn“. Davon sei das Berliner Startup trotz großer Resonanz jedoch noch einige Zeit entfernt.

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