Alles nur geklaut? – Eine Analyse deutscher Start-ups

Plagiatsvorwürfe, Industriespionage, Produktpiraterie oder das Klonen ganzer Autos – aktuell gibt es kaum Bereiche, in denen Menschen nicht das geistige Gut anderer Mitmenschen übernehmen und für die eigenen Zwecke gewinnbringend einsetzen. Bereits 1994 veröffentlicht eine Leipziger Musikgruppe einen neuen Song, der sich damals dieser Thematik annimmt. Die Prinzen, wie sie sich nennen, behaupten im Refrain eines ihrer Hits, es sei alles nur geklaut. Sie singen vom Liedgut, vom Luxus oder von Anmachsprüchen, geistigen und materiellen Dingen, die zusammengestohlen oder kopiert werden. Sie sind vom Vortäuschen einer persönlichen Leistung und dem Abkupfern mannigfaltiger Vorlagen inspiriert. Die Prinzen landen mit dem Text, in einem ansprechenden musikalischen Gewand, einen großen Wurf. Bei ihrer Analyse menschlichen Fehlverhaltens gehen sie auf deutsche Start-ups im Bereich Online-Marketing nicht ein.

Das Land der Dichter und Denker


Start-up – der englischsprachige Ausdruck steht für ein neu gegründetes Wirtschaftsunternehmen. Landläufig werden Start-ups mit neuen Geschäftsideen und Innovationen, Neuem oder Neuerung verbunden. Wie schmal der Grad des Neuen allein auf sprachlicher Ebene ist, zeigt der Begriff „Erneuerung“. Laut Duden wird dieses Wort ebenfalls mit Innovation gleichgesetzt. Eine bestehende Sache zu erneuern, eine eingeführte Idee aufzugreifen und bestenfalls nachzuahmen und damit als innovativ zu beschreiben, wird nicht gemeint sein. Das ist der Grund, warum Deutschland den Ruf eines Klonlandes innehat. Meinungsplattformen, E-Commerce (das Vertreiben von Gütern und Dienstleistungen über das Internet), Tauschbörsen und Kurznachrichtendienste – nichts, was nicht die Begehrlichkeit deutscher Nachahmer findet. Abseits des Netzes sind deutsches Unternehmertum, deutscher Erfindungsreichtum und Unternehmerwitz ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Deutschem Erfindergeist verdankt die Welt Autos, Telefone ebenso wie Gummibärchen oder Löschpapier. „Made in Germany“ ist auch heute ein Markenzeichen für Erdachtes aus Deutschland, dem Land der Dichter und Denker. Gehört das alles der Geschichte an? Nein, modernere Beispiele zeigen das. Gerade für die Jugend überaus wichtige Dinge wie das MP3-Format sowie die Computer- und Fernsehentwicklung wären ohne deutsche Erfinder, Wissenschaftler und Ingenieure nicht auf dem aktuellen Stand der Technik. Deutsche Start-ups ohne wirklich eigene Impulse? Ein Land der Kopierer, die sich die Rosinen der Wettbewerber herauspicken? Ein Vorwurf, der sich auf Produktions- und Handelsunternehmen außerhalb des Netzes nicht halten lässt. Deutsche Köpfe sind nach wie vor führend, wenn es darum geht, neue Ideen produzierte Wirklichkeit werden zu lassen. Nachahmung wird hier nicht als Kompliment verstanden. Vielmehr wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, das geistige Eigentum zu schützen und es Nachahmern so schwer wie möglich zu machen, daran zu partizipieren.

Unterstützung für geistiges Abkupfern aus dem politischen Lager


In der Welt der Bits und Bytes sieht es etwas anders aus. Auffällige Ähnlichkeiten werden billigend in Kauf genommen. Zumal es in Deutschland an Köpfen fehlt, die in der Lage sind, eigenständige und neue Plattformen auf die Beine zu stellen. Die Gründerszene in Deutschland ist nach Meinung von Internationalen Experten darauf angewiesen, sich auf die Einfälle des Auslandes zu stützen. Schützenhilfe erhalten die Befürworter jeglicher Schrankenlosigkeit eines freien Marktes hierbei von einer derzeit noch überschaubaren Anzahl politisch Aktiver. Politiker fordern programmatisch die Abkehr von Patenten und eine Reorganisation der Informationsgesellschaft. Trivialitäten zu patentieren, erklären sie in verschiedenen Programmen, verhindere den Fortschritt. Ein Ansatz, der sogar verständlich ist, wenn die möglichen Auswüchse von Reglementierungen betrachtet werden. Es muss nicht so weit kommen, wie es der von den Mayas prognostizierte Weltuntergang provoziert hat. Hier sah sich ein Veranstalter aufgefordert, den Begriff „Weltuntergang“ für seine Mottopartys mit einem Patent belegen zu lassen. Nach dem Ausbleiben der Apokalypse startet jener Patentinhaber den Versuch, andere Veranstalter für den Missbrauch des geschützten Begriffes in die Verantwortung zu nehmen und zu abzukassieren. In diesem Fall werden Vertreter eines freieren Wettbewerbes in geringem Maße Widerspruch für ihre Forderungen ernten. Es soll nach ihrem Willen dabei jedoch nicht bleiben. Sie haben mehr im Sinn und die aus Ideen, Wissen und Information entstandenen Produkte befinden sich auf ihrer Abschussliste. Das Bestreben geistige Arbeit für alle ohne Einschränkungen nutzbar zu machen, führt dazu, ein Mehr an Ideen und Wissen zu produzieren? Hierdurch wird ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland den wenig schmeichelhaften Ruf als ein führendes Land der Kloner kaum abstreifen können.

Das Risiko begrenzen – den Profit maximieren


Was ist verwerflich daran, sich eine gute Idee anderer zueigen zu machen und wertschöpfend umzusetzen? Heute werden ganze Fernsehshows beinahe eins zu eins übernommen. Eine neue Bestuhlung, etwas mehr, weniger oder andersfarbiges Licht und über allem deutlich sichtbar den eigenen Namenszug angebracht – fertig. Die Zuschauer nehmen derartige Strategien dankbar an, erfolgreiche neue Unterhaltungskonzepte behalten das Alleinstellungsmerkmal für kurze Zeit. Der Kuchen, von dem sich viele ein Stück abschneiden möchten, ist groß. Ein Start-up ist von Beginn an mit einer innovativen Idee und geringem Startkapital ausgestattet. Deutsche Kapitalgeber gehen überwiegend auf Nummer sicher. Detailliert ausgearbeitete Businesspläne, Risikoanalysen und der Blick auf den profitablen Ausstieg, das sind die Eckpunkte in Deutschland. Unter diesen Voraussetzungen ist es sehr schwer, sich auf eine längerfristige Perspektive einzulassen. Wie viel einfacher ist es, sich von Gegebenem inspirieren zu lassen. Das Aufspringen auf fahrende Züge, das Klonen erfolgreicher Start-ups ist risikoloser, als Eigenentwicklungen an den Start zu bringen. Das originale Modell zeigt bereits das vorhandene Potenzial – das Risiko bleibt damit in engen Grenzen und überschaubar. Ein Vorteil, der selbst im Falle eines Verkaufsfehlschlags noch Gewinn abwerfen kann. Diesem Trend folgen die Geldgeber in Deutschland ebenfalls. Warum sollen sie das Geld in ein Unternehmen stecken, von dessen wirtschaftlichem Erfolg nicht viel mehr, als die Hoffnung darauf gegeben ist. Wie viel sicherer ist es, ein schon erfolgreiches Geschäftsmodell zu nutzen, um die eigenen Renditeaussichten positiv beurteilen zu können.

Copycat – nicht ausschließlich ein deutsches Geschäftsmodell


Das Abkupfern von Geschäftsideen und deren Umsetzung ist längst keine deutsche Tugend. Copycat, wie es amerikanisch abwertend für das Kopieren von Start-ups heißt, ist eine Internationale Gepflogenheit. Beispiele aus Russland, Indien und anderen Ländern zeigen, dass in der Gegenrichtung gleichermaßen sparsam mit eigenen Ideen umgegangen wird. Und für die deutsche Start-up-Szene ist es ebenso beschwerlich, sich dessen zu erwehren. Patentrechte auf Internationaler Ebene erfolgreich durchzusetzen dauert mitunter sehr lange, hier ist Stehvermögen gefragt. Zudem können wenige kosmetische Änderungen ausreichen, einem Plagiatsvorwurf entgegenzuwirken. Belege für wirklich neue Konzepte aus Deutschland lassen sich zunehmend finden. Es gibt eine heterogene Gründerszene, die es versteht, neuartige Ideen auch zu verwirklichen. Neben den Informatikern gehören vor allem Naturwissenschaftler und Künstler dazu. Sie haben das Know-how und den Mut, ihr Gedankengut auch an den Markt bringen zu wollen. Meinungsplattformen, Hotelbuchungs-Apps, eine Vielzahl von Game-Sites, deutsche Gründungen sind nicht immer nur ein Abklatsch aus Übersee. Ein Marktplatz für das Mieten unterschiedlichster Gegenstände ist auf deutschem Boden gewachsen – erfolgreich und beispielgebend. Es ist äußerst schwierig unvoreingenommen zu bewerten, wann ein Klon ein Klon ist, und wie viel tatsächliche Innovation in einem neuen Projekt steckt. Die Kraft des Marktes darf nicht unterschätzt werden, der Markt bestimmt, was Bestand haben wird. Ohne einen Mehrwert für Nutzer und Verbraucher bietet das Kopieren von Bestehendem lediglich zeitbegrenzt eine Einnahmequelle. Deutsche Ideen- und Kapitalgeber tun also gut daran, längerfristig zu planen und dem Klonen eine Absage zu erteilen.

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