Die angekündigte Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) zum 01.01.2011 hat für viel Aufregung und Verwirrung gesorgt. Vielen Inhabern von Online-Shops oder Betreibern von Internetportalen ist nicht klar, ob sie von den Neuregelungen des JMStV betroffen sind oder nicht. Nachstehende Erläuterungen sollen mehr Transparenz in das Gesetz und seine geplanten Änderungen bringen.
Die wesentlichen Inhalte des Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, kurz JMStV genannt, richtet sich an alle Internetplattformen in Deutschland. In diesem Vertrag werden sämtlichen Medienanbietern spezielle Pflichten auferlegt, denn der Vertrag verlangt den einheitlichen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor allen Angeboten elektronischer Kommunikations- und Informationsmedien (Fernsehen, Radio, Kino, Games und Internetdienste), die eine Beeinträchtigung oder Gefährdung ihrer Erziehung und Entwicklung bedeuten können. Außerdem gilt es, auch vor eben solchen Angeboten zu schützen, die sowohl die Menschenwürde als auch andere geschütze Rechtsgüter verletzen können. Bei dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag handelt es sich um ein verbindliches Gesetz, wenn gleich es sich dabei im eigentlichen Sinne um eine Vereinbarung der Bundesländer handelt. Ab dem 1. Januar 2011 müssen sich alle Medienanbieter mit dem geänderten JMStV befassen. Wirklich viele Neuerungen sieht das neue Gesetz allerdings nicht vor.
Die wesentliche Änderung des JMStV geschieht durch eine vollständige Neufassung des § 5 des JMStV. Der Gesetzgeber möchte – wie bei Computerspielen und Filmen – ein System der Alterskennzeichnung für Internetinhalte etablieren. Ein weiteres Ziel ist die Einführung effektiver Jugendschutzprogramme.
Ab dem 01.01.2011 haben die Anbieter zwei Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche vor beeinträchtigenden Inhalten zu schützen. Eine Möglichkeit ist, dass Inhalte wie Forumsbeiträge, Videos, Fotos oder Texte ähnlich wie bei der FSK für Filme in entsprechende Altersstufen eingeteilt und entsprechend gekennzeichnet werden. Eine zweite Möglichkeit wäre, den Zugang einzuschränken oder nur zu festgelegten Zeiten zugänglich zu machen.
Was machte eine Novellierung des JMStV überhaupt notwendig?
Es gibt zwei wesentliche Gründe, die eine Überarbeitung des JMStV erforderlich machte. Einerseits gab dazu eine Protokollerklärung aller Länder aus dem Jahre 2002 zur Evaluierung des JMStV Anlass. Sie war Grundlage für einen Evaluierungsbericht des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung (Universität Hamburg). Andererseits haben die Amokläufe von Winnenden und Wendlingen eine erneute bundesweite Diskussion über den Schutz der Jugendlichen vor entsprechenden Medienangeboten ausgelöst. Man geht auf Basis dieses Evaluierungsberichtes davon aus, dass eine Erneuerung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages eine Stärkung und Weiterentwicklung der kontrollierten Selbstregulierung darstellt. Trägermedien unterliegen dem Regelungsbereich des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages sowie des Jugendschutzgesetzes. Eine Vereinheitlichung der Regelungsansätze dient der Sicherung sich weiterentwickelnder Medienkonvergenz. Weiterhin werden in der Novellierung des JMStV neue Chancen für konkrete gesetzliche Vorgaben gesehen, die insbesondere neue Signale im Bereich der Entwicklung/Verbreitung zahlreicher Jugendschutzprogramme setzen wird. Diese neu geschaffenen Instrumente sollen den Eltern und anderen Personen mit Erziehungsverantwortung effektive Instrumente an die Hand geben, um die ihnen anvertrauten Kinder vor den vielfältigen Gefahren im Internet zu schützen.
Was bedeuten diese Änderungen für Websiten-Betreiber?
Für die meisten Websiten-Inhaber ändert sich nichts oder nicht viel. Natürlich sollten sich alle Betroffenen über die Änderungen genau informieren und prüfen, inwieweit sie vielleicht doch aktiv werden müssen. Die wesentlichste Änderung, nämlich die Einführung einer freiwilligen Alterskennzeichnung für Inhalte im WordWideWeb, betrifft nur Online-Händler, die entwicklungsbeineinträchtigen oder jugendgefährdende Inhalte auf Ihren Webseiten oder Portalen präsentieren (beispielsweise Pornographie oder gewaltverherrlichende Inhalte). Diese Händler müssen fortan im Impressum einen Jugenschutzbeauftragten benennen. Allerdings sind gerade Webseiten-Betreiber mit pornografischen Inhalten schon vor der geplanten Änderung dazu verpflichtet, entsprechende Systeme zur Altersverifikation einzusetzen. Die Regelungen zur Alterskennzeichnung entsprechender Inhalte sehen wie folgt aus:
- Alterstufe 1: ab 6 Jahren
- Altersstufe 2: ab 12 Jahren
- Altersstufe 3: ab 16 Jahren
- Alterstufe 4: ab 18 Jahren
Die Alterstufe 0 wie bei Filmen bis zum Alter von 6 Jahren ist nicht vorgesehen. Ein Problem hinsichtlich der Umsetzung dieser Alterstufen ist darin zu sehen, dass aus dem JMStV nicht abzuleiten ist, welcher Inhalt welcher Alterstufe zuzuordnen ist. Außerdem ist die Kennzeichnung nicht ausdrücklich und zwingend vorgeschrieben. Außerdem wurden die jugendmedienschutzrechlichen Verpflichtungen der Anbieter durch die Novellierung des Jugendmedien-Staatsvertrages in keinster Weise erweitert. Damit bleibt festzuhalten, dass es für Online-Händler gewerblicher Internetpräsenzen wie allgemeine Onlineshops und andere Webseiten nur um eine freiwillige Kennzeichnung handelt. Eine Kennzeichnungspflicht ihrer Shops in jugendschutzrechtlicher Hinsicht besteht nach wie vor nicht.
Welche beeinträchtigenden Angebote im Sinne von § 5 Abs. 1 JMStV stehen im Fokus?
Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (vgl. § 1 Abs. 1 SGB VIII) ist unter anderem festgeschrieben, dass jeder junge Mensch ein Anrecht darauf hat, im Sinne einer positiven Entwicklung gefördert zu werden. Der Staat verpflichtet sich also, dass sich Minderjährige im Laufe ihrer Erziehung zu verantwortungsbewussten und selbstbestimmten Menschen entwickeln können. Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftfähigkeit der jungen Menschen soll durch das Recht auf Erziehung weiter gestärkt und durch die Neuerung noch mehr in den Vordergrund gerückt werden.
Beeinträchtigungen sind durch Reizüberflutung und sonstige starke Belastungen zu befürchten – vor allem dann, wenn dadurch Realität und Fiktion miteinander verschmelzen und von den Jugendlichen nicht mehr auseinander gehalten werden können. Ein Beispiel hierfür ist die Darstellung von Frauen auf Internetseiten mit pornografischen Inhalten. Hier wird den Jugendlichen eine ständige Verfügbarkeit der Frau zur Befriedigung des Mannes suggeriert, die ein falsches Rollenverständnis bei gefährdeten Jugendlichen nach sich ziehen könnte. Umgekehrt könnte aber auch bei jungen Männern der Eindruck entstehen, dass sie nur richtige Kerle sind (oder werden), wenn sie „immer können“.
Welche Fragen ergeben sich mit den Neuregelungen für Webseiten-Inhaber?
Von der freiwilligen Kennzeichnungspflicht sind nur Online-Händler betroffen, deren Internetpräsenz Inhalte offferieren, die nur für User ab 12 Jahren geeignet und nicht von Inhalten für jüngere Nutzer getrennt gehalten sind. Oder es werden entwicklungsbeeinträchtigen Inhalte gezeigt, die nur für Nutzer ab 16 Jahren zulässig sind. Alle Händler, für die diese Bedingungen zutreffen, müssen keinesfalls ihre Angebote kennzeichnen. Es stellt sich daher die berechtigte Frage, welchen Mehrwert diese Regelung hat, da die Händler solcher Angebote wie bereits erwähnt sowieso dazu verpflichtet sind, Shops oder Portale mit pornografischen oder gewaltverherrlichenden Inhalten nur Erwachsenen zugänglich zu machen – und zwar mittels Altersverifikationssystem. Maßnahmen, die bei Zutreffen einer dieser Ausnahmen getroffen werden müssen, sind:
- Nutzung von Sendezeitbegrenzungen
- Vorschalten technischer oder anderer Mittel, also das Programmieren eines Jugendschutzprogrammes
Die bisherigen Mittel hatten nach bisheriger Rechtslage keine nachgewiesene Wirkung und waren zu dem sehr umständlich. Die Kennzeichnung von Angeboten durch eine entsprechende Altersstufe ist sicherlich effektiver und passt besser zum Internet als die Abfrage von Personalausweisnummer oder Zeitbeschränkungen.
Wie wird diese Kennzeichnung praktisch umgesetzt und aktiviert und was passiert, wenn eine Seite nicht klassifiziert ist?
Ausgelesen wird die Klassifizierung nur von entsprechenden Jugenschutzprogrammen, die beispielsweise Eltern auf dem PC ihrer Kinder installiert haben. Die Filterung kann von den Eltern ganz individuell eingestellt werden. So können sie zum Beispiel festlegen, dass generell nur Inhalte mit Kennzeichnung auf dem Bildschirm erscheinen. Wurde eine Website nicht klassifiziert, kann sie nur dann nicht angezeigt werden, wenn entweder
- ein aktives Jugenschutzprogramm am Computer des Nutzers eingerichtet wurde, das vom User entsprechend konfiguriert wird, oder
- das Jugenschutzprogramm optional so konfiguriert wird, dass gekennzeichnete Seiten generell nicht angezeigt werden.
Das gilt auch für Schulfilter, die aber an den meisten Schulen heute schon installiert sind. Höchstens in der Konfiguration selbst gibt es von Schule zu Schule Unterschiede. Jugendschutzprogramme sollten aber noch viel weitreichender sein. So können Seiten manuell freigegeben oder einzelne Homepages bei Bedarf gesperrt werden. Die Alterskennzeichnung soll den Filterprogrammen helfen, leichter Entscheidungen zu treffen. Zudem soll mit ihr die Qualität der Filterungen effizienter werden.
Muss der Betreiber selbst feststellen, in welche Alterkennzeichnungsstufe sein Angebot gehört?
Schon nach derzeitiger Rechtslage muss der Anbieter selbst einschätzen und entscheiden, ab welcher Altersstufe sein Angebot freigegeben werden kann. Jeder Anbieter ist für Inhalte, die er verbreitet – ganz gleich ob online oder offline – selbst verantwortlich. Allerdings ist es nicht immer ganz einfach, die richtige Altersstufe für seine Angebote zu finden. Vor allem bei Inhalten, bei denen es um Erotik oder Gewaltverherrlichung geht, kann es schwierig werden. Auf der sicheren Seite bewegt sich der Anbieter, wenn er sich fachkundig beraten lässt. Der Jugendschutzbeauftragte, der von bestimmten Anbietern bereits nach aktuellem Recht benannt werden muss, kann zusätzlich bei allen jugendschutzrechtlichen Fragen zum eigenen Angebot konsultiert werden.
Zudem sollen ab 2011 Klassifizierungssysteme eingeführt werden, die dabei helfen, Inhalte richtig bewerten zu können. Für das FSM-Altersklassifizierungssystem müssen private Anwender im Übrigen keine Nutzungsgebühren entrichten. Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise Blogger und Betreiber privater Website sowie auch Nichtmitglieder der Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM). Ganz ohne Gebühren wird es für kommerzielle Anbieter nicht gehen. Es soll aber sichergestellt werden, dass die Nutzung wirtschaftlich zu vertreten ist. Zudem ist der FSM ein gemeinnütziger Verein. Das bedeutet, dass die Einnahmen aus den Nutzungsgebühren nur der Refinanzierung des Aufwands dienen dürfen.
Wie werden Webseiten gekennzeichnet, die aus viele Seiten bestehen und was ist zu tun, wenn sich Inhalte ändern?
Fest steht, dass nicht jede Seite einzeln bewertet muss, dies aber durchaus möglich ist. Die Entscheidung liegt hier beim Betreiber der Homepage. Gibt es Unterseiten, die gekennzeichnet werden müssen, kann der Anbieter entweder nur diese eine Seite kennzeichnen oder auch die ganze Website. Neuklassifizierungen sind bei Änderungen nur durchzuführen, wenn die Änderungen jugendmedienschutzrechtlich von Beduetung sind.
Wie sieht es mit der Überwachung und Klassifizierung von user generated content aus?
Sicherlich kann man diese Inhalte klassifizieren, eine Verpflichtung besteht jedoch nicht, da Plattformanbieter (zum Beispiel mit web2.0-Angeboten) nicht für Inhalte Dritter haften, solange ihnen keine Kenntnis über zu klassifizierende Inhalte vorliegt. Plattformanbieter sind also jugendmedienschutzrechtlich nicht in der Pflicht, solange es sich um ihnen unbekannten Inhalt Dritter handelt (wie beispielsweise Kommentare oder Foreneinträge). Selbst eine Überwachung ist nicht verpflichtend. Die Kennzeichnung einer solchen Plattform, die ausschließlich mit user generated content gefüllt ist, ist aber durchaus realisierbar. Besteht beispielsweise eine Meldemöglichkeit von Inhalten, die für die klassifizierte Altersstufe nicht geeignet sind, ist der Betreiber dieser Plattform erst zur Kennzeichnung einer etwa höheren Altersstufe verpflichtet, wenn ein User von diesem sogenannten Notice-and-Takedown-Verfahren Gebrauch macht. Erst darauf muss dann der Betreiber reagieren; entweder mit der Löschung des entsprechenden Inhaltes oder durch eine Höherstufung der Alterklasse für das Gesamtangebot. Angemerkt werden sollte an dieser Stelle, dass Hostern oder Plattformanbietern aufgrund europarechtlicher Festlegung bereits heute schon Verantwortung für Inhalte Dritter ab Bekanntwerden obliegt, ganz unabhängig vom Jugendmedienschutz.
Unter dem Dach der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) wird der Kennzeichnungsstandard für Jugendschutzprogramme diskutiert und erarbeitet. Unterschiedliche Institutionen arbeiten hier eng zusammen. Neben den obersten Landesjugendbehörden gehören das ZDF, die zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten unter der ARD sowie das Deutschlandradio. Die Jugendschutzprogramme können durch diese anerkannten Selbstkontroll-Einrichtungen oder direkt durch die KJM Anerkennung finden. Wichtigstes und gesetzlich festgelegtes Kriterium ist der Stand der Technik. Das bedeutet, dass die Anerkennung des Programmes an ein verobjektivierbares Merkmal geknüpft wird und die Leistungsfähigkeit des Jugendschutzprogrammes widerspiegeln muss. In der bestehenden Fassung des JMStV werden keine näheren Merkmale für die Anerkennung benannt. Das ist mit ein Grund dafür, warum bisher (also seit Bestehen des JMStV) kein einziges Jugendschutzprogramm anerkannt wurde. Somit wird mit dem neuen Gesetz ein Fortschritt erzielt, da ein transparentes, pragmatisches Kriterium eingeführt werden soll, um die Bewertung von Jugendschutzprogrammen effektiver ausgestalten zu können. Natürlich wird damit auch ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt:
Je mehr Inhalte zum Zeitpunkt der Anerkennung eines Jugenschutzprogrammes gekennzeichnet sind, umso mehr Inhalte können aufgrund dessen altersklassifiziert und entsprechend ausgelesen werden.
Nur wenn die Altersstufe absichtlich, also vorwerfbar falsch gewählt wurde, kann Eventuell ein Bußgeld erhoben werden. Ob ein Bußgeld verhängt wird entscheidet die jeweilige Landesmedienanstalt in ihrer Funktion als zuständige Aufsichtsbehörde. Dabei werden die Umstände jedes Einzelfalls genau untersucht und bei einer Eventuellen Bußgelderhebung berücksichtigt. Wurde das Klassifizierungssystem eines Anbieters von einer anerkannten Selbstkontrolleinrichtung überprüft und für gut befunden, ist hingegen kein Bußgeld zu befürchten.
Die Gefahr einer Abmahnung besteht immer dann, wenn sich Marktteilnehmer nicht an geltende Gesetze halten. Mit dem neuen JMStV hat das nichts zu tun. In den meisten Fällen sind Abmahnungen jedoch eher unwahrscheinlich, da die Anbieter gar keine Inhalte anbieten, die aus jugenschutzrelevanten Gründen problematisch sind.
Wie erfolgt die technische Umsetzung der Alterskennzeichnung?
Der gemeinsame Standard wurde von den beteiligten Institutionen diskutiert und abgestimmt. Der entsprechende Entwurf der Technikbeschreibung für diesen Standard kann beim Online-Management Kontor nachgelesen werden. Es ist vorgesehen, dass das Altersklassifzierungssystem der FSM diese technische Kennzeichung automatisch umsetzen wird. Ob zusätzlich auch noch eine optische Kennzeichnung vorgenommen werden muss, wird derzeit noch geprüft.
Zunächst entscheiden die Eltern, ob sie eine Installation von Jugenschutzprogrammen inklusive nutzerautonomer Filter auf den Computern ihrer Kinder installieren möchten. Alle Inhalte, die mit einer höheren als der ausgewählten Altersstufe gekennzeichnet sind, werden nicht dargestellt. Mit solchen Programme ist es jedoch auch möglich, spezielle Seiten für eine individuelle Freischaltung auszuwählen. Geben die Eltern ihr Einverständnis, wird die Altersstufe des bestimmten Anbieters übergangen. Mit dieser Möglichkeit bleibt das grundrechtlich geschützte Erziehungsprivileg der Eltern gewahrt. Dadurch, dass Jugenschutzprogramme weder staatlich verwaltet noch zentral gesteuert werden, kann die Alterskennzeichnung in keinerlei Zusammenhang mit Zensur oder dergleichen gesehen werden. Allein entscheidungsbefugt sind die Eltern. Doch ein Jugendschutzprogramm muss mehr können, als nur gekennzeichnete Seiten zu erkennen. Es muss über die Fähigkeit verfügen, auch unbekannte Seiten einstufen zu können. Das geschieht mit Hilfe sogenannter Black- und Whitelists. Das ist besonders für Seiten aus dem Ausland wichtig, da diese im Allgemeinen nicht wie in Deutschland vorgegeben nach Alter gekennzeichnet werden müssen.
FAZIT:
Für Online-Händler, deren Angebote weder entwicklungsbeeinträchtigende oder kinder- und jugendgefährdende Inhalte wie zum Beispiel Gewaltverherrlichung oder Pornografie enthalten, können die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages im Großen und Ganzen ignorierend. Andernfalls muss im Impressum ein Jugendschutzbeauftragter benannt werden. Das ist letztendlich die einzige Neuerung, die zum Schutz der Jugendlichen – neben der schon geltenden Verpflichtung zur Nutzung eines Altersverifikationssystems – mit Beginn 2011 greifen soll.
Festzuhalten gilt, dass für die Mikromedien der Aufwand zur Pflichterfüllung im Hinblick auf die Zugangsbeschränkungen aus dem neuen § 5 Abs. 1 JMStV unverhältnismäßig hoch ist. Es ist fraglich, wann die Aufsichtsbehörden umsetzbare Instrumente entwickeln, damit auch die kleinen Websitenbetreiber in der Lage sind, ihre Homepage richtig einzustufen und so der Kennzeichnungspflicht verantwortungsvoll nachkommen können. Und dann besteht immer noch das Problem, dass diese Verpflichtung nur für deutsche Websites gilt. Ein Großteil – nämlich alle anderen Inhalte, die oftmals jugendschutzrechtlich problematisch sind – bleibt hier von unberührt. Und was ist mit den Handys, über die Kinder und Jugendliche Zugang zum Internet finden? Dieser Zugangsweg zum Internet und damit auch zu jugendgefährdenen Seiten wird bei der Neufassung des JMStV überhaupt nicht behandelt. Letztendlich muss man sich fragen, ob die Verschärfung des Jugendschutzes mit diesen Mitteln überhaupt dazu führen wird, unsere Kinder und Jugendlichen vor gefährdenden Internetseiten zu schützen. Schon heute reagieren die Anbieter oftmals durch einen Serverwechsel auf derartige Beschneidungen. Durch das Hosting auf einem ausländischen Server entziehen sich die Betreiber entsprechender Seiten auf ganz einfache Art und Weise dem Zugriff deutscher Behörden.
Deshalb ist es generell fraglich, ob die Novellierung des JMStV das Ziel eines besseren Jugendschutzes in dieser Form überhaupt erzielen kann. Zumal auch Jugendliche immer wieder Wege finden, Zugang zu vermeintlich „Verbotenem“ zu erlangen.
ACHTUNG: Da der Landtag Nordrhein-Westfalens dem JMStV-2011 nicht zugestimmt hat, ist dieser nicht zum 01.01.2011 in Kraft getreten. Schleswig-Holstein hat nach Bekanntwerden der Pläne Nordrhein-Westfalens keine Abstimmung durchgeführt. Somit lagen bis zum 31. Dezember 2010 nicht alle Ratifikationsurkunden vor, aufgrund dessen der 14. Rundfunk-Änderungsstaatsvertrag gegenstandslos wurde (Art. 4 Abs. 2, 14. RÄStV). Der JMStV gilt aber in seiner jetzigen Fassung unbefristet weiter.